Wohnmobil: Allrad für Jedermann?
Trends bestimmen unser Leben und somit unsere Hobbys. So auch beim Wohnmobil und der neueste Trend heißt: Allrad. Aber ist der Allrad wirklich das Nonplusultra für Jedermann? Das klären wir hier nicht, aber eine Betrachtung um was es sich handelt und wie ich mich entschieden habe wird gegeben, wenn Du weiter liest!
Entscheidung mit Herz, oder Verstand?
Es spricht natürlich ein auf Mercedes Unimog basierendes Offroad-Monster den Naturburschen im Manne an und man könnte meinen, der „SUV“-Trend zöge inzwischen auch bei den Wohnmobilen ein. Beim SUV hält sich jedoch mehr Schein als sein, denn die wenigstens „SUV“ besitzen wirklich einen Allradantrieb. Noch schlimmer: Die meisten sind FWD, also Frontgetriebene Fahrzeuge. Beim Wohnmobil ist dies nur manchmal der Fall. Aber dazu später mehr. Das Herz schlägt natürlich höher, je höher ein mit schicken Felgen und groben Stollen ausgestattetes Fahrzeug gelegt ist. Aber passt es zum Einsatzgebiet? Um nicht zu schwafeln, muss eine Tabelle her:
Antriebsart | Vorteile | Nachteile | Für wem/was geeignet? |
4×4 | Maximale Geländegängigkeit | Verbrauch Straßentauglichkeit Gewicht Preis Platz Innenraum | Expeditionsfahrer bis ans Ende der Welt |
AWD | gute Geländetauglichkeit | Gewicht Preis Platz Innenraum | Offroad Pistenfahrer fast bis ans Ende der Welt |
RWD mit Sperre | befriedigende Geländetauglichkeit | Gewicht Preis Platz Innenraum | Gelegentliche Pistenfahrer bis es zu matschig wird |
RWD ohne Sperre | ausreichende Geländetauglichkeit | Gewicht Platz Innenraum Preis | Fahren auf Straße und sanfte Pisten |
FWD | Preis Gewicht Verbrauch Platz Innenraum | mangelhafte Geländetauglichkeit | Fahren auf Straßen und befestigten Pisten |
AWD ist nicht 4×4!
AWD bedeutet, dass ein Computer die Steuerung übernimmt und spezielle Kupplungen zum Einsatz kommen, wie die Haldexkupplung. Das ziel von AWD ist die Verteilung der Motorkraft auf die Räder, die Grip haben. Wenn der Computer älterer AWD-Systeme befindet, dass kein Ras genug Traktion bietet, erhält kein Rad Antriebsenergie. Ein „Durchwühlen“ ist daher mit einem AWD-Fahrzeug schwierig.
Next Generation AWD: Hierbei bremst im oben genannten Fall der Computer über die Bremsanlage die Reifen ein wenig ab, so dass die Reifen durchaus in der Lage sind sich durchzuwühlen. Jedoch hat dies einen Preis: Das Abbremsen bedeutet Verschleiß und Kraftverlust.
4×4 hingegen nutzt Stränge, wie den Torsen. Dort ist es so, dass die Kraft vor allem beim üblichen Vorhandensein von „Sperren“ absolut starr an alle 4 Räder gleichmäßig übertragen wird.
Ist der 4×4 das Beste Antriebssystem? Im Gelände definitiv: JA. Aber es hat einen anderen Nachteil: Man muss sehr genau wissen, was man da tut. Sperrt man alles und es geht um die Kurve, kann der Antrieb Schaden nehmen, denn üblicherweise muss das Kurvenäußere Rad einen längeren Weg zurücklegen und wenn alles starr über Motokraft verbunden ist, zerren dramatische Kräfte am Chassis.
Das bedeutet, dass für den gelegentlichen Fahrer im Gelände ein AWD Fahrzeug neuester Generation (etwa der Mercedes Sprinter mit Werksallrad und „Torque on Demand“) die bessere Wahl ist. Wer das Geländefahren als Hobby enthusiastisch betreibt, der wird die Vorzüge des 4×4 niemals missen wollen.
Wer aber, ich behaupte mal wie die meisten, zu 95% auf befestigten Wegen (auch Pisten!) unterwegs ist, der benötigt keinen Allrad, denn es gibt einige gravierende Nachteile.
Einfluss der Reifen
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte:
Es nutzt der Allrad absolut gar nichts, wenn das schöne Offroadmonster mit Straßenreifen ausgestattet ist. Im Gegenteil: Ein Fronttriebler mit AT-Bereifung ausgestattet kommt besser auf dem Strand zurecht, als ein mit Straßenreifen ausgestattetes Allradfahrzeug. Oft zu bewundern in St. Peter Ording. Auch ist es wichtig das Fahren auf diesen Gründen zu trainieren. Nur dort, wo Reifen – Antriebsart – Wohnmobilaufbau und Chassis sowie Fahrer aufeinander abgestimmt sind, werden die entsprechenden Vorteile auch zum Tragen kommen!
Setzt man mich als Offroadunerfahrenen in ein 4×4 Expeditionsmodell, könnte ich es schaffen dieses trotz ansonsten bester Bedingungen festzufahren, während ein Hecktriebler mit Sperre und geübten Offroadpiloten am Steuer einfach durchfährt. Eventuell ist es sogar so gravierend, dass sogar ein erfahrener Pilot im Fronttriebler an mir vorbei fährt.
Wie dem auch sei: Vier mal kein Grip durch Straßenreifen im Gelände, oder Sommerreifen im Winter bringen ein Fahrzeug stets weniger voran, als zwei gut greifende Reifen – Egal welche Achse angetrieben wird. Das muss man bedenken, wenn einem die AT-Reifen zu laut sind und auf Sommerreifen umgerüstet wird und nicht jeder, der beim Ducato-Fronttriebler oder anderen AT-Bereifung montiert ist ein Poser: Durch die Wahl eines geeigneten Reifens wird einiges Möglich und wo sind die Grenzen? Das ist absolut individuell.
Pauschal gilt
Pauschal gilt: Wer sich wenigstens im leichten Gelände tummeln möchte, sollte keinen FWD, also Frontantrieb wählen. Dies hat mindestens zwei Gründe: Zum einen nutzen Hersteller die FWD Chassis, um Komfort zu ermöglichen und das bedeutet „Tiefchassis“, also wenig Bodenfreiheit, dafür einen maximierten Innenraum. Dagegen kann man etwas tun, ist mitunter aber teuer. Übrigens gibt es sogar Lösungen, um nicht-Allrad-Ducato mit einem solchen nachzurüsten… Kleingeld vorausgesetzt.
Zum anderen gilt ein physikalisches Prinzip: Der Frontantrieb entlastet die angetriebenen Räder beim Beschleunigen, was immer zu erhöhten Traktionsverlust der Antriebsräder im Vergleich zum Hecktriebler führt. Ist dies immer dramatisch? Nein! Lässt es sich wegdiskutieren? Auch: NEIN! Es ist, wie es ist.
Geht also gar nichts mit FWD? Hier hört es dann auf mit pauschalen Aussagen, denn es kommt drauf an: Es gibt zahlreiche Videos von FWD Ducatos, die durch entlegene Winkel der Erde gefahren werden und wo man eines Besseren belehrt wird: Dramatisch, wie gerne von „Offroadenthusiasten“ beschrieben, ist der FWD nämlich nicht. So ist ein Problem selbst bei ausgewachsenen Expeditionsmodellen die Kardanwelle und noch mehr das Heckdifferential, welches den tiefsten Punkt bzgl. Bodenfreiheit markiert und auch wenn dicke Stahlplatten schlimmeres verhindern sollen, so ist ein beschädigtes Differential einer der Hauptausfälle bei Offroadfahrten mit Allradmodellen und dies führt immer zu Reparaturen. Der Hauptnervtöter beim FWD sind in der Tat eingegrabene Fronträder, die wiederum keine Reparatur erfordern, sondern buddeln.
Abhilfe: Seilzug zur Eigenbergung, Schaufel, Sandbleche… das übliche Zeug und schnell wird klar: Nicht nur beim Allrad ist die 3,5 Tonnen Schallmauer eine Illusion, die sind alle schwerer – Nein: Willst du generell Autark unterwegs sein und zwar so richtig am Pobbes der Welt, kommst Du bei 3,5 Tonnen schnell an Deine Grenzen – Allein schon durch Bergemittel und Nothelferlein.
Das ADAC hilft übrigens nur auf befestigten Wegen… also, eher sogar nur eingetragenen Straßen – Auch in Deutschland!
Der Aufbau setzt Grenzen!
Es nutzt der beste 4×4 Antrieb nichts, wenn ein langer Radstand oder üppige Überhänge auch bei kleinsten Kuppen das Fahrzeug aufsitzen lassen! Die Probleme:
Wie man deutlich sieht begrenzt der Aufbau auf dem Chassis durch seine Überhänge und seine Bug- und Heckform deutlich die Offroadtauglichkeit. Zum anderen ist es der Radstand, der entscheidend ist und hier gilt: Je länger, desto ungeeigneter. Es bringt der matchwühlende 4×4 Antrieb nichts, wenn das Fahrzeug aufgrund dieser Merkmale gar nicht in der Lage ist dorthin zu fahren, wo er seine Vorteile ausspielen kann.
Meine Wahl passt NUR ZU MIR!
Ich fahre den 6m VS30 Sprinter 910 mit Hymer Ausbau und der 910 ist ein Frontantrieb. Meine Gründe:
- Es gibt mit seriöser Zuladung kein Allradwohnmobil unter 3,5 Tonnen (Nicht der Führerschein, sondern in der Tat die Gewichtsgrenze ist für mich entscheidend, dazu ein Sonderthema „3,5t“Mythos…)
- Es gab zu der Zeit kein Allradfahrzeug unter 100k€, was unser Budget ausmachte.
- Auf der Straße sind AT Reifen schlecht und ohne AT Reifen kein Offroad.
- Ich habe innen selten Stehhöhe – ich bin 1,88cm hoch.
- Es gab kein passendes Bestandsmodell mit der Ausstattung, die wir uns vorstellten. (Bei dem, was da war passten die verbauten Features nicht)
Um es klar zu sagen: Ich fahre über 90% auf Asphalt. Wenn ich Abenteuer suche, sind dies immernoch 80%, die ich erstmal auf gewöhnlichen Straßen anreisen muss.
Mein Sprinter steht auf Conti Ganzjahresreifen und wer mag, kann gerne mal einen Schleuder- und Bremsvergleich zwischen diesen und den beliebten „AT-Grabber“ suchen und warum? Nun: Wir verunglücken hoffentlich gar nicht, aber wenn, dann wahrscheinlich auf den Straßen und selten im Gelände. Korrekt: Dort fahren wir uns meist die Autos kaputt, aber sterben tun die Opfer nun einmal auf der Straße durch andere Verkehrsteilnehmer, die gerne ein an der Waffel haben und fahren wie Sau. Darum ist wichtig, dass mein Fahrzeug….
- Mit aktuellen Assistenzsystemen ausgestattet ist, incl. Notbremsassistent und sehr guten ESP, SWA und co.
- Meine Kabine die eines Fahrzeugs ist und kein „Leukoplastbomber“, daher entschieden wir uns um auf Kastenwagen und zwar ohne Hubdach.
- Das Fahrwerk für die Wege optimiert ist, auf denen ich mich die meiste Zeit bewege und das sind Asphalt und befestigte Wege.
Finde ich die 4×4 Boliden gut? Logo! Ich steh voll auf die Optik und auch das Offroadfahren wäre durchaus etwas für mich. Ich habe lange überlegt, aber diesmal siegte die Vernunft und ich schaue gerne neidisch zu, wenn jemand 1000km auf Straßen angereist ist, um mir dann ein paar Offroadkilometer in einem Youtubevideo zu präsentieren und: Ich gönne jedem diesem Spaß, muss aber im Fazit sagen: Ich lasse mich auch nicht für dumm verkaufen. Argumente, wie Winterfahrten, oder die berühmte „Feuchte Wiese“ von der man angeblich mit FWD gar nicht und mit RWD selten runter kommt – Da wird schön geredet, anstatt einfach zu sagen: Ich steh auf die Monsterchen, was absolut okay ist. Man muss sich für gar nichts rechtfertigen und auch keine Ausflüchte suchen. Sei, wie Du bist – Auch im Wohnmobil.
Vorteile Frontantrieb
Wir haben gelernt: Geil ist der 4×4 im Gelände und der AWD ist auf der Straße wirklich optimal und in moderner Ausführung auch im Gelände nicht zu verachten, wie der Hecktriebler mit Sperre, der da fast ran kommt und ältere AWD sogar in den Schatten stellt. Auch wenn gerade ein Hype stattfindet, hin zu AWD Fahrzeugen – Am meisten fahren Wohnmobile mit Ducatochassis herum und das ist nunmal ein Frontantrieb und man sieht sie überall auch an entlegenen Ecken freistehen. Was sind die Vorteile dessen, worüber keiner mehr in diesen Allradhypezeiten spricht? Der Vorteil des Frontantrieb ist…
- FWD haben gegenüber RWD den Vorteil sich gutmütiger fahren zu lassen. (Ziehen geht vor Schieben – Aber: Der AWD ist allen überlegen, was Fahrsicherheit angeht!)
- FWD Fahrzeuge wiegen weniger
- FWD Fahrzeuge verbrauchen weniger Sprit
- Da kein Kardantunnel = Mehr Stehhöhe im Innenraum = Mehr Raumgefühl.
- Wartungskosten sind geringer, da weniger Mechanik verbaut ist, die immer verschleißt
- Der Anschaffungspreis ist geringer
Thema Traktion
Vor allem hängt die Traktion erst einmal von den verwendeten Reifen ab. Ein FWD KFZ wird jeden Allrad in den Schatten stellen, wenn es mit AT-Bereifung bestückt ist und der Allrad quasi Slick fährt. Gemeinhin gelten jedoch RWD, also Hecktriebler, als traktionsstärker wie die Fronttriebler, gerade an Steigungen. Der Nachteil kann nicht ausgeglichen werden, da es sich um ein physikalisches Prinzip handelt! Man muss es wissen… und damit umgehen:
- die Beladung ist so zu wählen, dass die Vorderachse stets gut belastet wird. Was auf jeden Fall vermieden werden muss: Eine Überlastung der Heckachse, da die Vorderräder bei steigender Heckackslast überproportional zum Traktionsverlust, also Durchdrehen neigen. Im Extremfall ist bei überladenem Heck kein Anfahren ohne durchdrehende Fronträder möglich.
- Bei kurzen, steilen Passagen kann der Nachteil des Fronttrieblers an Steigungen durch Rückwärtsfahren gemindert werden. Darum sind 360° Kameras nicht nur in Großmobilen hilfreich…
FAKT ist aber: Der Frontantrieb ist der Traktionsschwächste Antrieb im Feld.
Wendekreis
Das hier bitte mit Vorsicht genießen. Eigentlich lassen sich die Boliden mit 4×4 nicht wirklich vergleichen und manch AWD ist halt ebenfalls so gepimpt mit größere Räder, dass der Einschlagwinkel begrenzt werden muss, vor allem wenn von 16 auf 18 Zoll gewechselt wird. Das bringt Vorteile und die Fahrzeuge wechseln dadurch halt ihre Klasse und die Klassen sind nicht fair vergleichbar.
4×4 | Wenn gesperrt: Gar nicht 😉 Ansonsten rein mechanische Antriebsstränge PLATZ 2 |
AWD | Ja nach Bauart landet der AWD gleichauf mit dem FWD, da gleiche Antriebsstränge an den Vorderrädern benutzt werden – Oder aber man baut Offroadorienterter besondere Kupplungen ein, was sich dann negativer auf den Wendekreis ausüben würde. Sagen wir: AWD und FWD nehmen sich nichts, da meistens R/L wir beim FWD gekoppelt sind und Vorne-Hinten durch z.B. Haldex verteilt wird. |
RWD | Auf Platz 1: Beim RWD ist an der Vorderrädern wirklich nur die Lenkbarkeit umgesetzt, was dem RWD den besten Wendekreis beschert, da man keine Antriebswellen „überknicken“ könnte. |
FWD | Auf Platz 3 landet der Frontantrieb. Er hat zwar keine Längskraftkopplung nach Heck, aber je nach Bauart kann er auch nur gleich aufliegen mit dem AWD, da natürlich auch er heute mit Kupplungen ausgestattet ist, die per Computer Kraft FL/FR verteilen. |