Sachsenwahl: AfD durch Computerfehler entmachtet
September 2024, Sachsen hat gewählt. Auch wenn es vielen nicht gefällt: Die AfD gilt wohl, obwohl haarscharf auf dem zweiten Platz gelandet, als Gewinner dieser Wahl. Zuerst sah es so aus, dass sie sogar die Sperrminorität im Landtag erhält, dann ein Computerfehler und doch nicht. Wie das geht, liest Du hier!
Wie kann das sein?
Es gibt, um die Sitzverteilung in Parlamenten zu bestimmen unterschiedliche Verfahren. Je nachdem, welches man benutzt, variiert das Ergebnis leicht. Zwei Verfahren finden in Deutschland Anwendung, wobei nach und nach auf das Sainte-Laguë-Verfahren umgestellt wird, welches auch bei der Bundestagswahl benutzt wird.
In Sachsen wurde 2022 entschieden, dass man für die nun stattgefundene Wahl auch auf jenes Verfahren setzt, welches im Rahmen der geringen Einflüsse kleinere Parteien bevorzugt. Die Varianz liegt dabei meist bei 1,2 oder 3 Sitzen.
D’Hondt-Verfahren
Das D’Hondt-Verfahren, auch bekannt als Höchstzahlverfahren, teilt die Stimmen jeder Partei durch 1, 2, 3, 4 usw. Die höchsten Quotienten erhalten die Sitze. Dieses Verfahren tendiert dazu, größere Parteien zu bevorzugen, da die Teilung durch kleinere Zahlen (1, 2, 3, …) größere Quotienten erzeugt, die eher zu Sitzen führen1.
Sainte-Laguë-Verfahren
Das Sainte-Laguë-Verfahren, auch bekannt als Divisorverfahren mit Standardrundung, teilt die Stimmen jeder Partei durch 1, 3, 5, 7 usw. Diese Methode ist proportionaler und begünstigt kleinere Parteien etwas mehr als das D’Hondt-Verfahren, da die Teilung durch größere ungerade Zahlen (1, 3, 5, …) die Quotienten gleichmäßiger verteilt2.
Unterschiedliche Ergebnisse – Beispiel
Die unterschiedlichen Ergebnisse entstehen, weil die beiden Verfahren die Stimmen unterschiedlich gewichten. Beim D’Hondt-Verfahren erhalten größere Parteien oft mehr Sitze, da ihre Stimmen durch kleinere Zahlen geteilt werden und somit höhere Quotienten entstehen. Beim Sainte-Laguë-Verfahren hingegen werden die Stimmen durch größere Zahlen geteilt, was zu einer gleichmäßigeren Verteilung der Sitze führt und kleineren Parteien eine bessere Chance gibt, Sitze zu gewinnen:
Beispiel
Angenommen, es gibt 3 Parteien (A, B und C) und 10 Sitze zu vergeben. Die Stimmenverteilung ist wie folgt:
- Partei A: 60 Stimmen
- Partei B: 25 Stimmen
- Partei C: 15 Stimmen
D’Hondt-Verfahren
- Quotienten berechnen: Die Stimmen jeder Partei werden durch 1, 2, 3, usw. geteilt.
- Partei A: 60, 30, 20, 15, 12, 10, 8.57, 7.5, 6.67, 6
- Partei B: 25, 12.5, 8.33, 6.25, 5, 4.17, 3.57, 3.13, 2.78, 2.5
- Partei C: 15, 7.5, 5, 3.75, 3, 2.5, 2.14, 1.88, 1.67, 1.5
- Höchste Quotienten auswählen: Die 10 höchsten Quotienten erhalten die Sitze.
- Partei A: 60, 30, 20, 15, 12, 10, 8.57
- Partei B: 25, 12.5
- Partei C: 15
Sainte-Laguë-Verfahren
- Quotienten berechnen: Die Stimmen jeder Partei werden durch 1, 3, 5, usw. geteilt.
- Partei A: 60, 20, 12, 8.57, 6.67, 5.45, 4.62, 3.75, 3.33, 3
- Partei B: 25, 8.33, 5, 4.17, 3.57, 3.13, 2.78, 2.5, 2.27, 2.08
- Partei C: 15, 5, 3, 2.5, 2.14, 1.88, 1.67, 1.5, 1.36, 1.25
- Höchste Quotienten auswählen: Die 10 höchsten Quotienten erhalten die Sitze.
- Partei A: 60, 20, 12, 8.57, 6.67, 5.45
- Partei B: 25, 8.33, 5
- Partei C: 15
Alles mit rechten Dingen?
Nun: In der Tat hat es den Anschein, als wäre da wirklich „nur“ ein Fehler unterlaufen. Es ist durchaus plausibel, dass eine Software noch auf den „alten“ Modus läuft und das neue Verfahren nicht aktiviert wurde.
Jedoch muss ich sagen, dass dieser Vorfall ein extremes Geschmäckle hinterlässt: Das Volk wählt und es hat sich zumindest in Sachsen und Thüringen für eine rechtere Politik entschieden und zwar für eine, die sehr weit von jener Politik entfernt ist, die SPD und Grüne bieten wollen oder können. Warum es 2022 zu einer Änderung des Wahlrechts in Sachsen kam, kann ich nicht nachvollziehen. Bereits damals konnten die noch regierenden Parteien natürlich feststellen, dass sie massiv an Zustimmung verlieren in der Bevölkerung. Ob die Umstellung nun wirklich der bundesweiten Vereinheitlichung des Verteilverfahrens der Sitze bei Wahlen diente, oder schlichtweg den Einfluss ihrer sich stetig verzwergenden Parteien maximieren sollte – Das kann ich nicht sagen, muss aber beide Möglichkeiten nennen und in Betracht ziehen!
Was ist denn nun so eine Sperrminorität?
Wenn eine Partei mehr als 1/3 der Sitze eines Parlamentes inne hat, so kann sie jede Entscheidung, bei der eine 2/3 Mehrheit benötigt wird blockiert werden.
- Mit Sperrminorität kann eine Partei jede Verfassungsänderung der Landesverfassung blockieren.
- Mit Sperrminorität kann eine Partei die Auflösung des Landtages verhindern und somit Neuwahlen verhindern.
- Bestimmte Ämter werden mit 2/3 Mehrheit besetzt, so etwa der Präsident und die Richter am Verfassungsgerichtshof, des Landesrechnungshofes und so weiter.
„Funfact“ am Rande: Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz wird übrigens nicht gewählt. Er wird vom jeweiligen Innenministerium ernannt. Das bedeutet: Wer die Regierung stellt, besetzt den Präsidenten des jeweiligen Verfassungsschutzes. Im Rahmen tariflicher Möglichkeiten besitzt dieser Präsident dann die Macht Mitarbeiter zu ernennen oder zu entlassen und ebenso Umstrukturierungen vorzunehmen. Er entscheidet außerdem, dass und welche Informationen seine Behörde als Lagebild weitergibt und koordiniert die Zusammenarbeit mit anderen Behörden.
Fazit
Gerade im Osten gibt es für die politischen Gegner der AfD keinerlei Grund jetzt zu jubeln! Auch die Presse sollte das Problem des Zeitpunktes, der Betroffenen Partei und vor allem: Der nunmehr massive Verlust im Vertrauen der Menschen in demokratische Wahlen thematisiert werden!
Stattdessen erfolgt eine Art „Aufatmen“ in der eher links ausgerichteten Presse, dass es nunmehr keine Sperrminorität für die AfD in Sachsen gibt.
Es gibt Fehler, die dürfen nicht passieren und dieser Fehler gehört dazu. Der Schaden, der gerade bagatellisiert wird, ist so dermaßen Groß: Ich wundere mich über die Fähigkeit all jener, die doch sonst das Wort „Demokratie“ in jeden Satz einbauen und heute nicht in der Lage sind ein Bedauern auszusprechen: Nein, nicht darüber eine Partei einen wichtigen Machtbaustein abgeben muss – Es geht darum, dass Wahlen ohne solche Zwischenfälle laufen müssen. Denn es werden nun Gedankenspiele in den Köpfen der gerade wenn es um Wahlen geht kritischen Wähler im Osten abspielen: „Was wäre bei einem anderen Wahlergebnis gewesen? Hätte der Fehler dann ruhig stehen bleiben können?“ oder: „Wenn denen das Ergebnis nicht passt, fällt ihnen schon etwas ein!“.
Ich würde sagen, dass die heute Jubelnden politischen Gegner hoffen sollten, dass es keine Neuwahlen gibt: Von den fast 25% der Nichtwähler wird viele Prozent Potential für die AfD geben! Viele konnten sich bislang noch nicht durchringen die AfD zu wählen, aus guten Gründen. Nur sind solche Zwischenfälle Wasser auf die Mühlen der Rekrutings: „Du siehst doch, was geschieht, wenn es zu knapp ausgeht! Du musst wählen gehen…“ und wem die 25% völlig Politikverdrossenen Menschen wählen, wenn sie dazu angetrieben werden, kann natürlich keiner sagen – Aber ich orakel mal, dass es nicht die Grünen sein werden.